Bundesgerichtshof gegen maltesisches Online-Casino: Verfahrensaussetzung unzulässig

Industry News By Dr. Stefan Weber 3 min read
Bundesgerichtshof gegen maltesisches Online-Casino: Verfahrensaussetzung unzulässig

Wichtigste Erkenntnis

Deutsche Gerichte müssen Klagen gegen maltesische Online-Casinos sofort bearbeiten und dürfen nicht auf EuGH-Entscheidungen warten. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 gilt unabhängig von anderen laufenden Verfahren.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine wegweisende Entscheidung im Kampf gegen nicht lizenzierte Online-Glücksspielanbieter getroffen. In einem aktuellen Urteil vom 23.01.2025 stellte das höchste deutsche Zivilgericht klar, dass laufende Verfahren gegen maltesische Glücksspielanbieter nicht ausgesetzt werden dürfen, während auf ähnliche EuGH-Entscheidungen gewartet wird.

Der Fall: Spielerin fordert verlorenes Geld zurück

Im Zentrum des Falls steht eine Spielerin, die zwischen Juli 2022 und Januar 2023 bei der Casino-Website von N1 Interactive Ltd. Geld verloren hatte. Sie reichte daraufhin Klage beim Landgericht Hamburg ein und forderte die Rückzahlung ihrer Verluste, wie Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell auf anwalt.de berichtet.

Das Landgericht Hamburg hatte ursprünglich entschieden, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter dem Aktenzeichen C-440/23 auszusetzen. Dieses EuGH-Verfahren behandelt Fragen zur Anerkennung von Glücksspiellizenzen aus dem EU-Ausland in Deutschland.

Die Klägerin argumentierte jedoch, dass der EuGH-Fall für ihre eigene Klage nicht relevant sei. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) gab ihr Recht, was wiederum zur Rechtsbeschwerde der N1 Interactive Ltd. beim BGH führte.

BGH: Unterschiedliche Rechtslage macht Aussetzung unnötig

Der BGH bestätigte am 23.01.2025 die Position des OLG und entschied, dass die Aussetzung des Verfahrens nicht rechtmäßig war. In der Begründung verwies das Gericht auf einen fundamentalen Unterschied: Das EuGH-Verfahren C-440/23 bezieht sich auf den Glücksspielstaatsvertrag von 2012, während im aktuellen Fall der Glücksspielstaatsvertrag 2021 anzuwenden ist.

Zudem kritisierte der BGH, dass das Landgericht Hamburg nicht ausreichend geprüft hatte, ob tatsächlich Parallelen bezüglich der Unklarheit der Rechtslage zwischen beiden Glücksspielstaatsverträgen bestehen.

Der BGH führte außerdem an, dass nach gängiger EuGH-Rechtsprechung EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland nicht verpflichtet sind, Glücksspiellizenzen anderer Mitgliedstaaten wie Malta automatisch anzuerkennen.

Hintergrund: N1 Interactive Teil eines fragwürdigen Netzwerks

Ende 2024 wurde bekannt, dass die Firma SoftSwiss ein Glücksspielnetzwerk betreibt, zu dem sowohl N1 Interactive Ltd. (Malta) als auch Dama N.V. (Curaçao) gehören sollen. Beide Unternehmen betreiben laut Berichten Online-Glücksspielseiten in Deutschland ohne die erforderliche Lizenz, was einen klaren Verstoß gegen den Glücksspielstaatsvertrag 2021 darstellt.

Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) wurde bereits über diesen Sachverhalt informiert. Interessanterweise scheint SoftSwiss nicht der einzige Anbieter zu sein, der ein komplexes Firmengeflecht im Glücksspielbereich unterhält. Auch der Software-Anbieter Delasport geriet Anfang 2025 aus ähnlichen Gründen in die Kritik.

Wie könnte es weitergehen?

Falls N1 Interactive Ltd. das Urteil akzeptiert, könnte dies zur Rückzahlung der verlorenen Einsätze an die Klägerin führen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass der maltesische Anbieter noch den EuGH anruft, um in höherer Instanz doch noch eine andere Entscheidung zu erreichen.

Selbst bei einer endgültigen Verurteilung zur Rückzahlung bleibt die Frage der Durchsetzbarkeit. Das sogenannte Bill No. 55 soll maltesische Glücksspielunternehmen vor der Vollstreckung ausländischer Strafen schützen. Obwohl dieses Gesetz in der EU umstritten ist, wurde seine Unvereinbarkeit mit EU-Recht bisher nicht abschließend festgestellt.

Der EuGH muss noch zahlreiche weitere Fragen von untergeordneten Gerichten zum Thema Glücksspiel beantworten, und es ist derzeit nicht absehbar, wann mit endgültigen Urteilen zu rechnen ist.

Bis dahin gewinnt N1 Interactive Ltd. vermutlich Zeit – es sei denn, es kommt zu einem außergerichtlichen Vergleich, was früher bei solchen Verfahren häufig der Fall war.

Dr. Stefan Weber

Dr. Stefan Weber

Glücksspielrechtsexperte

Dr. Stefan Weber ist promovierter Rechtswissenschaftler mit Schwerpunkt auf deutschem und europäischem Glücksspielrecht. Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Glücksspielbranche berät er regelmäßig zu rechtlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen. Er ist Autor mehrerer Fachpublikationen und hält regelmäßig Vorträge auf Branchenkonferenzen.

Expertise

Glücksspielrecht, Regulierung, Compliance

Dr. jur. Universität Hamburg, LL.M. Wirtschaftsrecht