Glücksspiel-Sponsoring im europäischen Fußball: Ein Millionengeschäft mit Nebenwirkungen

Industry News By Dr. Stefan Weber 4 min read
Glücksspiel-Sponsoring im europäischen Fußball: Ein Millionengeschäft mit Nebenwirkungen

Zwei Drittel aller Fußballvereine haben Glücksspiel-Partner - Trikotwerbung umgeht Verbote

Eine aktuelle Untersuchung von Investigate Europe zeigt ein deutliches Bild: Glücksspielunternehmen haben den europäischen Profifußball fest im Griff. 296 von 442 Teams aus 31 Top-Ligen verfügen in der Saison 2024/25 über mindestens einen Sponsoringvertrag mit einem Glücksspiel-Anbieter. Bei etwa einem Drittel dieser Vereine prangt die Werbung sogar auf der Vorderseite des Trikots.

Fast die Hälfte der europäischen Ligen trägt den Namen eines Glücksspiel-Anbieters als Hauptsponsor, darunter die Admiral Bundesliga in Österreich, die Stoiximan Super League in Griechenland und die Liga Portugal Betclic.

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Premier League führt bei Glücksspiel-Sponsoring

Besonders in der englischen Premier League zeigt sich der starke Einfluss: Alle Klubs unterhalten Partnerschaften mit Glücksspiel-Anbietern. Elf Vereine tragen sogar ein Glücksspiel-Logo auf dem Trikot – der höchste Anteil in den europäischen Top 5-Ligen.

Auch in den Niederlanden und Deutschland ist Glücksspielwerbung allgegenwärtig. In der deutschen Bundesliga haben 17 von 18 Vereinen einen Glücksspiel-Sponsor, trotz anhaltender Bedenken von Fans und Politik.

Schlupflöcher trotz Werbeverbote

Trotz bestehender Werbeeinschränkungen in Ländern wie Belgien oder Italien finden viele Vereine Wege, diese zu umgehen:

  • In Belgien präsentiert Club Brügge die Unibet-Submarke U-Experts als vermeintlich selbstständige News-App auf dem Trikot
  • In Italien werben Inter, Parma und Lecce mit Sportwetten-Anbietern wie Betsson.sport, AdmiralBet.news oder BetItalyPay
  • Die AC Milan hat einen Sponsorenvertrag mit Boomerang Bet abgeschlossen – einem Unternehmen ohne gültige italienische Lizenz

Politische Zurückhaltung

Die Politik agiert in vielen Ländern trotz wachsender Bedenken zurückhaltend. In Italien plant die Regierung sogar, das Werbeverbot aufzuheben, um den wirtschaftlichen Schaden für die Fußballklubs nach der Corona-Krise abzufedern.

In Deutschland wurde ein Verbot von Glücksspielwerbung mit Verweis auf die finanzielle Abhängigkeit der Vereine bisher abgelehnt.

Die Niederlande hingegen haben nach einem starken Anstieg der Spielsucht das erst 2021 legalisierte Sponsoring durch Glücksspiel-Firmen wieder verboten – bis Juli 2025 muss es vollständig aus dem Fußball verschwinden.

In der Premier League haben sich die Vereine auf ein Werbeverbot für Glücksspiel-Anbieter geeinigt – allerdings nur auf der Trikotbrust. Andere Sponsoringformen bleiben möglich, was die Wirksamkeit der Maßnahme in Frage stellt.

Asiatische Glücksspiel-Anbieter auf europäischer Bühne

Ein besonders auffälliges Phänomen ist der Einfluss asiatischer Glücksspiel-Anbieter. Diese dürfen in Europa nicht offiziell operieren, nutzen aber gezielt das Sponsoring bei europäischen Vereinen, um ihre Zielmärkte in Asien zu erreichen.

27 Klubs aus den fünf großen Ligen haben aktuell Verträge mit 22 solcher Anbieter, darunter prominente Namen wie Real Madrid, Inter Mailand oder Chelsea. Die Werbung ist häufig nur über asiatische VPN-Zugänge auf den Websites der Vereine sichtbar.

Viele dieser Marken – darunter Kaiyun – stehen laut einer früheren Play-the-Game-Recherche in Verbindung mit dem mittlerweile geschlossenen chinesischen Anbieter Yabo, dessen Führungspersonal nach einer Razzia mit über 3.000 Festnahmen neue Firmen gegründet hat.

Millionengeschäft und Alternative Finanzierung

Diese Sponsoren sind besonders für kleinere Klubs verlockend, da sie bis zu 10 Millionen GBP (rund 12 Millionen EUR) jährlich zahlen, wie der britische Fußballökonom Kieran Maguire erklärt. Dabei wird oft auf eine gründliche Prüfung der Sponsoren verzichtet, weil Klubs unter finanziellem Druck stehen.

Pedro Iriondo, Strategie-Experte bei Football Benchmark, erklärt gegenüber Investigate Europe: "Zwar können Vereine alternative Sponsoren für Premium-Assets wie Trikot- oder Ärmelsponsoring gewinnen, doch werden diese neuen Partner in vielen Fällen weniger zahlen als Glücksspiel-Unternehmen."

Gleichzeitig wächst die gesellschaftliche Kritik an den Werbeverträgen mit Glücksspiel-Anbietern. Faninitiativen wie "Unsere Kurve" fordern ein Verbot von Glücksspielwerbung im Sport, analog zu bestehenden Regelungen bei Alkohol und Tabak.

Key Takeaway

Die tiefe Verflechtung zwischen Glücksspiel-Industrie und Profifußball in Europa zeigt ein Spannungsfeld zwischen lukrativen Finanzierungsquellen und gesellschaftlicher Verantwortung. Während viele Vereine finanziell von diesen Partnerschaften profitieren, wächst der Druck durch Spielsuchtproblematik und Umgehung nationaler Werbeverbote. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich strengere Regulierungen durchsetzen oder ob wirtschaftliche Interessen weiterhin dominieren.


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Dr. Stefan Weber

Dr. Stefan Weber

Glücksspielrechtsexperte

Dr. Stefan Weber ist promovierter Rechtswissenschaftler mit Schwerpunkt auf deutschem und europäischem Glücksspielrecht. Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Glücksspielbranche berät er regelmäßig zu rechtlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen. Er ist Autor mehrerer Fachpublikationen und hält regelmäßig Vorträge auf Branchenkonferenzen.

Expertise

Glücksspielrecht, Regulierung, Compliance

Dr. jur. Universität Hamburg, LL.M. Wirtschaftsrecht